KANBrief 1/14
Biologisch wirksame Beleuchtung ist eine Art der künstlichen Beleuchtung, die dem natürlichen Licht nachempfunden ist. Insbesondere durch die Variation der Farbtemperatur soll die Beleuchtung zu einer sicheren, gesunden und produktiven Arbeitsstätte beitragen. Arbeitsschutzexperten sind jedoch noch zurückhaltend, wenn es um die verbindliche Regelsetzung geht. Denn es gibt auch Risiken, und Langzeitstudien sind bisher nicht verfügbar.
Ein angenehmer Sonnentag hebt die Stimmung. Es ist hell, es ist warm – wir fühlen uns wohl. Jedem ist klar, Tageslicht hat mehr positive Wirkungen auf uns, als nur unsere Umwelt zu beleuchten. Forscher und Konstrukteure streben daher seit Jahren danach, Tageslicht mit seinen vielfältigen und dynamischen Eigenschaften zu verstehen, um es künstlich nachzubilden und zum Beispiel an Arbeitsplätzen einzusetzen. Dabei wird auf verschiedene Lichtwirkungen gezielt, etwa die Stabilisierung der Schlaf-Wach-Rhythmik oder eine erhöhte Leistungsbereitschaft.
Im Normenausschuss Lichttechnik beim DIN sind im Arbeitsausschuss „Wirkung des Lichts auf den Menschen“ zahlreiche Experten für biologisch wirksame Beleuchtung versammelt. Ihr Ziel ist es, anerkanntes Wissen über die nichtvisuellen Wirkungen von Licht zusammenzutragen und über die Normung nutzbar zu machen.
Auf die richtige Dosis kommt es an
Die Teilnehmenden des DIN-Expertenforums, zu dem der Normenausschuss im Juni 2013 zum siebten Mal eingeladen hatte, waren sich allerdings nicht einig, ob biologisch wirksame Beleuchtung schon reif für einen flächendeckenden Einsatz ist. Wenige große Hersteller aus der Beleuchtungsindustrie haben sich bereits positioniert und erste Produkte auf den Markt gebracht, die mit dynamischem, an den natürlichen Tagesrhythmus angepasstem (zirkadianem) oder biologisch wirksamem Licht werben. Messbare Langzeitwirkungen sowie Zusammenhänge zwischen bestimmten Lichteigenschaften und den damit verbundenen Wirkungen sind jedoch noch nicht allgemein anerkannt. Des Weiteren werden neue, ethische Fragen aufgeworfen. So könnte zum Beispiel versucht werden, durch blaues Licht die Produktivität zu steigern oder durch andere Formen von „Licht-Doping“ gezielt Einfluss auf Menschen zu nehmen.
Die Befürworter der Technik führen an, dass für Arbeitnehmer aufgrund ihrer Arbeitszeit oder ihres Arbeitsplatzes ein eingeschränkter Zugang zum Tageslicht längst Realität ist. Daher sei zusätzliche biologisch wirksame Beleuchtung gesund und sinnvoll. Fraglich ist jedoch, ob nicht vielmehr die gesamte Tagesdosis an Licht ausschlaggebend ist und daher Freizeit und Arbeitszeit gleichermaßen berücksichtigt werden müssen.
Im privaten Bereich ist es uns freigestellt, welche Lichtquelle (z.B. Kerze, Sonne oder auch biologisch wirksame Beleuchtung) wir wie lange auf uns wirken lassen. Bei der Arbeit sind die individuellen Einflussmöglichkeiten eingeschränkter. Entsprechend ist die Verantwortung für die Folgen von festgelegten Umgebungsfaktoren wie Beleuchtungsquellen auch anders organisiert. Für Arbeitgeber werden Anforderungen an die Beleuchtung in technischen Regeln für Arbeitsstätten formuliert. Diese verbindlichen Regelungen zielen auf den Arbeits- und Gesundheitsschutz der Gesamtheit der Arbeitnehmer.
Dialog ist gefragt
Normen mit ihrem anwendungsbezogenen Charakter und ihrem höheren Detailgrad können unter Umständen technische Anforderungen an Arbeitsstätten unterstützen. Die genaue Wirkungsweise und mögliche Einsatzgebiete der biologisch wirksamen Beleuchtung sind jedoch noch nicht abschließend geklärt. Daher existiert bisher nur ein DIN SPEC Fachbericht 67600 „Biologisch wirksame Beleuchtung – Planungsempfehlungen“, der die bisherigen Arbeitsergebnisse des Normenausschusses dokumentiert.
Unbestritten ist: „Tageslicht hat im Allgemeinen eine positive Wirkung auf die Gesundheit und das Wohlempfinden des Menschen“
(Technische Regel für Arbeitsstätten ASR A3.4, Beleuchtung).
Wie also die Lücke für Menschen schließen, die auf Tageslicht verzichten müssen? Zu klären bleibt, welche technischen Anforderungen biologisch wirksame Beleuchtung erfüllen muss, damit sie ihre Wirkung voll entfalten kann, ohne den Arbeitnehmer in seinem Verhalten unangemessen einzuschränken.
Die KAN ist im Kontakt mit Vertretern der Sozialpartner, des Staates, der Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung und des Deutsches Institut für Normung e. V., um einen Dialog darüber anzustoßen, was aus Sicht des Arbeitsschutzes Inhalt einer zukünftigen Norm sein könnte und ob Aspekte der biologisch wirksamen Beleuchtung sogar in verbindliche Regelungen (z.B. ASR 3.4 BAuA zu biologisch wirksamer Beleuchtung) einfließen sollten.
Dr. Dirk Bartnik